Der kraftvolle Motor eines Sportwagens und die mechanische Uhr haben etwas gemeinsam: Beide brauchen Schmierstoffe, um die beweglichen Teile vor Verschleiss zu schützen. Rund 50 Stellen im Werk werden deshalb je nach spezifischer Beanspruchung mit einem halben Dutzend verschiedenen, speziell für Armbanduhren entwickelten Ölen und Fetten behandelt.
Die mechanische Uhr ist eine komplexe Miniaturmaschine, die sich dauernd in Bewegung befindet: Auf wenigen Kubikzentimetern verrichten bis zu mehrere hundert Einzelteile wie Federn und Zahnräder pausenlos ihren Dienst. Dabei unterscheidet sich der Zeitmesser in einem wesentlichen Punkt nicht von einem Sportwagen: „Wie das Auto würde auch die Uhr ohne Öl schon nach kurzer Zeit stillstehen“, umreisst Hansjörg Kittlas, Abteilungsleiter Werkmontage Spezialitäten bei der IWC in Schaffhausen, die Problematik.
In einem Uhrwerk gibt es Dutzende von beweglichen Teilen, die aneinander reiben. Durch Verschleiss können sich winzige Partikel lösen und die filigrane Mechanik blockieren. Im schnellen Flitzer schützt Motoröl das Hochleistungs-Aggregat vor Verschleiss. Auch die Uhr benötigt an etwa 50 Stellen ihres feinmechanischen Antriebs eine Schmierung – beispielsweise in den Lagerstellen, in denen sich die Zapfen der Zahnradwellen drehen. Gefettet werden auch die Zugfeder in ihrem Haus, der Aufzugmechanismus oder die Hemmung. Umfasst die Ausstattung zusätzliche Komplikationen wie einen ewigen Kalender, kann sich die Anzahl der Ölstellen schnell einmal verdreifachen.
EIN MIKROLITER REICHT SCHON FÜR DAS KOMPLETTE UHRWERK
Vor allem bei exklusiven und komplizierten Modellen braucht das Ölen viel Geduld, Fingerspitzengefühl und auch fachmännische Erfahrung. Sorgfältig führt Hansjörg Kittlas die weniger als 0,1 Millimeter dicke Drahtspitze des Ölgebers in ein kleines Gefäss. Der Tropfen, den er mit ruhiger Hand in der Ölsenkung eines Lagersteins auf dem Manufakturkaliber 94900 deponiert, ist so klein, dass man ihn von blossem Auge fast nicht sehen kann. Ein einziges Tausendstel eines Milliliters reicht bereits für das Schmieren des ganzen Uhrwerks. Ein rassiger Sportwagen demgegenüber schluckt das Motoröl gleich literweise.
Noch in einem weiteren Punkt unterscheidet sich das Uhren-Aggregat deutlich vom Automotor. Während die Drehzahl eines Supercars bei spritzigem Fahrstil auf über 8000 hochschnellt, geht es in der Uhr viel gemütlicher zu und her: Das schnellste Zahnrad, das Ankerrad, dreht sich nur 20 Mal pro Minute. „Die Geschwindigkeit ist zwar niedrig, dafür sind die Flächenpressungen extrem hoch“, beschreibt Kittlas die Verhältnisse in der Armbanduhr. Es ist wie mit den Stöckelschuhen einer Dame: Je spitzer die Absätze, desto tiefer werden die Abdrücke im Parkett. Entsprechend stark belasten die oft nur wenige Zehntel-Millimeter dünnen Zapfen ihre Lagerstellen.
Diese besonderen Bedingungen führen dazu, dass ein Uhrenöl ganz besondere Anforderungen erfüllen muss. Noch bis ins erste Viertel des letzten Jahrhunderts war dafür Klauenöl, das aus den Fettdrüsen von Rinderfüssen gewonnen wird, die erste Wahl. Sein grosser Nachteil ist jedoch die geringe Alterungsbeständigkeit. Vor etwas über 50 Jahren hat die Spezialitätenchemie mit der Entwicklung von synthetischen Uhrenölen mit hochspezifischen Eigenschaften begonnen. Diese kostspieligen Hightech-Erzeugnisse verdicken oder verflüchtigen sich auch über einen längeren Zeitraum nicht, und sie sind korrosions- und oxidationsbeständig.
Wie das auto würde auch die uhr ohne öl schon nach kurzer zeit stillstehen.
EIN HALBES DUTZEND SCHMIERSTOFFE MIT SPEZIFISCHEN EIGENSCHAFTEN
In der Praxis werden heute je nach spezifischer Beanspruchung rund ein halbes Dutzend verschiedene Öle und Fette benötigt. Vom Federhaus bis zum Minutenrad etwa, wo die Drehungen langsam und die Kräfte gross sind, kommen zähflüssigere Varianten zum Einsatz, die auch bei hohem Druck stets einen stabilen Schmierfilm bilden. Weiter von der Zugfeder entfernt, werden die Geschwindigkeiten grösser und die Kräfte kleiner. Beim Sekunden- oder Ankerrad beispielsweise ist dann eher dünnflüssiges Öl gefragt, das die schnellen Bewegungen möglichst wenig abbremst.
Ein wichtiger Faktor für die Bestimmung des optimalen Schmierstoffs sind auch die Materialien. So spielt es eine Rolle, ob ein Zapfen aus Stahl in einem Lager aus Messing oder Rubin dreht. Zudem darf sich ein Öltropfen auf keinen Fall ausbreiten und in andere Bereiche des Werks wegkriechen. Dazu dient das sogenannte Epilamisieren: Diese spezielle Oberflächenbehandlung bildet einen ölabstossenden Film, der das Schmiermittel an seinem Platz hält.
Der wohl heikelste Arbeitsschritt ist das Schmieren der Hemmung. Dabei wird auf etwa drei Zähne des Ankerrads eine geringe Menge Fett gegeben. Es wandert zunächst auf die beiden Ankerpaletten und verteilt sich von dort aus gleichmässig auf sämtliche Ankerradzähne. Die Ankerhemmung ist eine der am stärksten beanspruchten Baugruppen der Uhr und ein intakter Ölfilm ist zwingend für eine hohe Ganggenauigkeit.
DAS AUTOMATISCHE ÖLEN VERBESSERT DIE QUALITÄT DER SCHMIERUNG
Für einen Menschen ist es äusserst anspruchsvoll, diese Arbeiten von Hand stets zuverlässig auszuführen. „Eine schrittweise Automatisierung des Ölens hat uns ermöglicht, die Qualität des Prozesses weiter zu steigern“, erklärt Markus Bühler, der bei der IWC in Schaffhausen die Industrialisierung leitet. Ein erster Fortschritt war der pneumatische Ölgeber, der die Abgabe von exakt gleich grossen Schmiermitteltröpfchen ermöglichte. Heute behandeln spezielle Roboter über 20 Ölstellen in einem Uhrwerk gleichzeitig und in absolut konstanter Güte. Selbst das kritische Hemmungsfetten geht heute teilweise automatisch vonstatten.
Künftig soll der Schmierstoff sogar vollkommen kontaktfrei aus geringer Entfernung an seinen Bestimmungsort geschossen werden. Die dabei verwendete Jet-Technologie kennen die meisten vom Tintenstrahldrucker zuhause.
Hohe Erwartungen werden auch in diamantartige Kohlenstoffbeschichtungen gesetzt: Ultradünne, extrem harte Schichten auf den Oberflächen der beweglichen Teile könnten dereinst die Reibung so stark reduzieren, dass gar keine Schmierstoffe mehr nötig wären. Das Verfahren scheitert bisher aber noch an den winzigen Abmessungen der zu beschichtenden Teile.
Kein Weg führt deshalb heute an einer gründlichen Schmierung vorbei. Doch selbst das hochwertigste Uhrenöl büsst irgendwann seine Fähigkeiten ein: Winzige Partikel können zu Verunreinigungen führen. Wie der Sportwagen braucht auch der mechanische Zeitmesser regelmässig einen Ölwechsel. Während der PS-Bolide jedoch alle zwölf Monate in die Garage muss, funktioniert die Armbanduhr viel länger tadellos: Erst nach fünf Jahren zerlegt der Uhrmacher das Werk und reinigt die Einzelteile sorgfältig von Verschmutzungen und Ölrückständen. Schliesslich setzt er den Präzisionsmechanismus für das Handgelenk wieder zusammen und verpasst ihm fachmännisch eine neue Schmierung – auf dass er die nächsten fünf Jahre absolut gleichförmig und zuverlässig die Zeit anzeigen möge.
In der praxis werden heute je nach spezifischer beanspruchung rund ein halbes dutzend verschiedene öle und fette benötigt.
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