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LEICHTER UND HÄRTER ALS STAHL

Leichter und härter als Stahl, absolut kratzfest und eine spiegelglatte Oberfläche, die sich auf der Haut angenehm weich anfühlt: Die einzigartige Kombination von Eigenschaften macht die Keramik zum idealen Material für Uhren. Die IWC fertigt als innovative Pionierin seit fast drei Jahrzehnten edle Keramikgehäuse für verschiedene Zeitmesser. Die grosse Herausforderung sind dabei die komplexen Herstellungsprozesse. In jüngster Zeit wandert das verschleissfreie Material auch ins Uhrwerk.

 

Die Faszination der Keramik wird fühlbar, wenn man mit der Fingerkuppe über ein Stück kostbares Porzellan fährt: Wie Samt fühlt sich die Oberfläche an, und auch dann noch angenehm warm, wenn die kalte Luft draussen Schneeflocken tanzen lässt. Hinzu kommt, dass Keramik absolut kratzfest ist. Diese einzigartige Kombination von Eigenschaften macht das Material auch für Uhren interessant – als edles Gehäuse für mechanische Zeitmesser.

 

Dafür kann man natürlich nicht zerbrechliches Porzellan verwenden. Eingesetzt werden vielmehr speziell entwickelte Ingenieurkeramiken. «Diese anorganischen, nichtmetallischen Werkstoffe sind leichter und härter als Stahl, gleichzeitig aber auch extrem beständig gegen physikalische oder chemische Einflüsse», erklärt Lorenz Brunner, Leiter der Abteilung Innovation und Predevelopment bei der IWC in Schaffhausen. Temperaturen von weit über 1000 Grad, aber auch Feuchtigkeit oder sogar Säure können dem Material nichts anhaben. Entsprechend breit wird solche technische Keramik heute denn auch eingesetzt: Unter anderem für Kondensatoren, Dichtungsringe oder Zahnimplantate, aber auch in Flugzeug- oder Raketentriebwerken sowie für Komponenten von verbrauchsarmen Hochleistungsmotoren.

AUS PULVERN WERDEN EXTREM HARTE KERAMIKKÖRPER

Die Hightech-Keramik, wie sie in Uhren verwendet wird, zeichnet sich vor allem durch viel reinere Rohstoffe und komplexe Herstellungsprozesse aus. Im Gegensatz zu dem aus Ton gebrannten Porzellan zerbricht sie deshalb auch nicht so leicht. «Die Ausgangsmaterialien sind polykristalline Pulver – meist Minerale wie Silikate, Aluminiumoxid oder Siliziumkarbid», erklärt Brunner. Unter der Beigabe mehrerer Hilfsstoffe werden sie zu einer homogenen Masse vermischt, in Form gebracht und anschliessend unter hohen Temperaturen im Ofen ausgebacken. Während diesem sogenannten Sintervorgang verflüchtigen sich die Hilfsstoffe und es bilden sich extrem stabile Keramikkörper, die aus unzähligen mikroskopisch kleinen Körnern bestehen.

 

Die Fertigung von Keramik-Gehäusen für mechanische Uhren ist eine ingenieurstechnische Meisterleistung. Die IWC blickt auf eine bald 30-jährige Erfahrung auf diesem Gebiet zurück. Bereits 1986 verwendete sie als erste Uhrenmanufaktur speziell gehärtete, schwarze Zirkonoxid-Keramik für ein Gehäuse. Die Da Vinci Ref. 3755 war ein durchschlagender Erfolg. Später wurde das elegante und robuste Material auch bei den Fliegeruhren verwendet und kürzlich fand es Eingang in die Ingenieur-Familie. Mit der limitierten Sonderedition des Top Gun Chronographen Antoine de Saint-Exupéry betritt der Pionier aus Schaffhausen jetzt einmal mehr Neuland: Es ist die erste Uhr in der Geschichte der Manufaktur in einem Gehäuse aus brauner Siliziumnitrid-Keramik.

EIN SCHWIERIGES HERANTASTEN AN DIE OPTIMALE LÖSUNG

«Die Konstruktion und Fertigung eines Uhrengehäuses aus Keramik ist ein langwieriges Projekt. In engen Entwicklungspartnerschaften suchen die Ingenieure der IWC gemeinsam mit den Spezialisten der Lieferanten nach optimalen Lösungen», fasst Brunner zusammen. Eine spezielle Herausforderung besteht darin, dass Keramik während dem Brennen um rund einen Drittel schrumpft. Damit das Uhrwerk später präzise in das Gehäuse passt, muss dieser Grössenverlust schon in der Konstruktionsphase miteinberechnet werden. Hinzu kommt eine weitere Besonderheit: Anders als bei den Metallen, deren finale Eigenschaften bereits vor der mechanischen Bearbeitung feststehen, haben bei der Keramik die einzelnen Herstellungsschritte einen grossen Einfluss auf das fertige Produkt. Mit unterschiedlichen Brennverfahren, sowie auch durch die gewählte Korngrösse und Brenntemperatur, können aus denselben Rohstoffen Endprodukte mit unterschiedlichen Eigenschaften erzeugt werden.

 

Auch bei der braunen Keramik des Top Gun Chronographen Antoine de Saint-Exupéry mussten sich die Spezialisten zunächst in unzähligen Versuchen an den optimalen Herstellungsprozess herantasten. So durfte zum Beispiel das Siliziumnitrid beim Brennen nicht mit Sauerstoff in Berührung kommen, weil es sonst oxidieren könnte. Die Gehäuse mussten deshalb in einem Ofen bei 1800 Grad unter der Beigabe von Stickstoff als Schutzgas ausgebacken werden. Um das Material noch dichter zu machen, wurde zudem unter Druck gesintert. Die edle, braune Farbe entstand durch eine spezielle Mischung des Siliziumnitrid mit Titannitrid.

 

Diese spezifische Rohstoffkombination macht das gebrannte Siliziumnitrid auch härter und bruchsicherer ist als die meisten anderen Keramiken. Für die nachfolgende Bearbeitung der Gehäuse entpuppte sich dies aber als zusätzliche Herausforderung: «Wegen der aussergewöhnlichen Bruchfestigkeit des neuen Materials war der Schleifaufwand enorm hoch und die diamantbesetzten Werkzeuge mussten viel öfter als sonst ausgewechselt werden», blickt Brunner zurück.

—Bereits 1986 verwendete IWC als erste Uhrenmanufaktur speziell gehärtete, schwarze Zirkonoxid-Keramik für ein Gehäuse. Die Da Vinci Ref. 3755 war ein durchschlagender Erfolg.
Diese anorganischen, nichtmetallischen werkstoffe sind leichter und härter als stahl, gleichzeitig aber auch extrem beständig gegen physikalische oder chemische einflüsse.
— Lorenz Brunner, Leiter der Abteilung Innovation und Predevelopment, IWC Schaffhausen

KERAMIK-KOMPONENTEN WANDERN INS UHRWERK

Ihre Verschleissfestigkeit macht die Keramik aber auch für den Einsatz im Inneren der Uhr interessant: «Verschiedene Teile im Werk sind höchsten Belastungen ausgesetzt. Deshalb versuchen wir, bestimmte Metallteile durch Keramik-Komponenten zu ersetzen», führt Brunner aus.

Wie schon im Bereich der Gehäuse nimmt die IWC auch hier eine Pionierrolle ein. Die grösste Schwierigkeit besteht darin, dass ein Teil aus Messing oder Stahl nicht einfach identisch aus Keramik hergestellt werden kann. Das Material beeinflusst in der Regel auch die Geometrie. Erschwerend kommen die winzigen Abmessungen und engen Toleranzen im Uhrwerk hinzu, denn auch hier müssen die Ingenieure miteinberechnen, dass die Keramik während dem Sintervorgang rund einen Drittel ihres Volumens verliert.

—The 50000-calibre family

Beim Kaliber 51900 für die Portugieser Tourbillon Mystère Retrograde gelang es 2012 zum ersten Mal, die Klinken des Pellaton-Automatikaufzugs aus verschleissfreier Keramik herzustellen. Heute werden solche Klinken in allen Modellen der Kaliberfamilie 50000 verbaut. In den Manufaktur-Chronographenwerken aus Schaffhausen wird zudem der Schwingtriebhebel auf Keramiksteinen anstatt auf Rubin gelagert, weil diese zäher sind als der Edelstein.

 

In den Kalibern 51000 wurden sogar zwei Lagersteine im Zentrum der Schwungmasse durch ein winziges Keramikrohr ersetzt: «Dadurch wird eine präzisere Lagerung des Rotors möglich und dieser muss nicht mehr speziell flachgerichtet werden», beschreibt Brunner den grossen Vorteil dieser Lösung. Neben der Verschleissfreiheit kann auch das geringe Gewicht ein Grund für den Einsatz von Keramik sein – etwa dann, wenn möglichst wenig Energie für das Bewegen eines Teils aufwendet werden soll. «Als Materialwissenschaftler fasziniert mich an der Keramik vor allem ihre Dauerhaftigkeit», hält Brunner abschliessend fest. In der Tat gibt es kaum ein anderes Material, das den Zahn der Zeit so gut überdauert: Mit einem Alter von rund 30’000 Jahren gilt eine kleine Venus-Figur aus gebranntem Lehm als eines der ältesten Kulturgüter der Menschheit. Auch die edlen Keramikuhren der IWC werden ihre Besitzer ein Leben lang erfreuen – und wahrscheinlich sogar noch viele Jahrtausende länger erhalten bleiben.

Beim kaliber 51900 für die Portugieser Tourbillon Mystère Retrograde Gelang es 2012 zum ersten mal, die klinken des pellaton-automatikaufzugs aus verschleissfreier keramik herzustellen.

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