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DIE RÄTSEL DER ZEIT – EIN GESPRÄCH MIT BRIAN COX
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PROFESSOR BRIAN COX, DER BEKANNTE PHYSIKER UND TV-MODERATOR, ENTFÜHRT UNS AUF EINE SPANNENDE REISE TIEF IN DIE GEHEIMNISSE VON RAUM UND ZEIT. ERFAHREN SIE MEHR.
Brian Cox, Teilchenphysiker und Professor an der Universität Manchester, spricht über die Zeit und ihre Ursprünge sowie die philosophischen Herausforderungen, die mit der Auffassung eines ewigen Universums verbunden sind. Er erklärt auch, dass wir im Grunde nicht wissen, was unsere Uhren messen – und erläutert, warum die Beobachtung des Sekundenzeigers auf dem Zifferblatt Tür und Tor zu den tiefsten Geheimnissen von Raum und Zeit öffnet.
Hören Sie sich unseren neuesten Podcast mit Brian Cox über Zeit und Ewigkeit an.
DIE SCHÖNHEIT DES UNIVERSUMS
WAS FINDEN SIE AN EINER MECHANISCHEN UHR FASZINIEREND?
Es besteht ein großer Unterschied zwischen einem mechanischen Objekt, das die verstreichende Zeit misst, und der Anzeige auf Ihrem Smartphone. Man kann den Sekundenzeiger auf einer Uhr sehen. Aber wofür steht dieser Zeiger? Fragte man Einstein, würde seine Antwort lauten, dass der Zeiger die Entfernung misst, die Sie in der Raumzeit zurücklegen. Fragte man einen Experten für Thermodynamik, würde er sagen, dass der Zeiger etwas mit Entropie zu tun hat und die Uhr letztendlich die Auflösung des Universums misst.
Sie ist wie ein Tor zu tiefgreifenden Fragen und verborgenen Geheimnissen. Das macht Uhren für mich zu wunderbaren Gegenständen. Denn grundsätzlich gesehen wissen wir nicht, was sie eigentlich tun. Ein Blick auf Ihre Uhr ist immer von etwas Geheimnisvollem umwoben – einem Geheimnis, das mit Raum, Zeit und der Struktur des Universums selbst zu tun hat.
WENN SIE SICH DIE NÄCHSTE KOMPLIKATION VON IWC SCHAFFHAUSEN WÜNSCHEN KÖNNTEN – WAS WÄRE DAS?
Wenn wir davon ausgehen, dass eine Uhr ein Messgerät ist, was wäre, wenn sie ihr eigenes Alter messen könnte? Stellen Sie sich so etwas wie einen Chronographen vor, den Sie einmal starten und nie wieder anhalten. Selbst wenn sie perfekt genau liefen, würden all diese Uhren ein anderes Alter messen. Natürlich mit winzigen Unterschieden, aber dennoch würde jede etwas anderes aufzeichnen. Sie wären alle perfekt synchronisiert, wenn sie die Fabrik verlassen, würden aber mit unterschiedlichen Altersangaben zurückkehren. Weil sie an den Handgelenken ihrer Besitzer einen anderen Weg durch die Raumzeit genommen haben werden, eine andere Route zwischen den Ereignissen. Das ist die ganze Schönheit unseres Universums.
— Brian Cox trägt die Portugieser Perpetual Calendar Ref. IW503703 mit Zifferblatt in Horizon Blue
Wenn man eine Uhr in ein schwarzes Loch fallen ließe, würde sie aufhören zu ticken und für immer stehen bleiben. Am sogenannten «Ereignishorizont» eines Schwarzen Lochs bleibt die Zeit stehen. Aber nur von außen betrachtet. Fiele man mit seiner Uhr in das Schwarze Loch, würde sie mit einer Sekunde pro Sekunde weiterlaufen
— Brian Cox während eines Interviews bei IWC Schaffhausen
«EIN TAG OHNE GESTERN»
WAS IST ZEIT?
Wie bei vielen einfachen Fragen, sieht es bei der Antwort nicht so einfach aus. Kurz gesagt: Wir wissen es nicht. Im 17. Jahrhundert nahm Sir Isaac Newton an, dass es so etwas wie eine große Uhr am Himmel gibt und die Zeit für alle gleich schnell vergeht. Im Jahr 1905 zeigte uns Albert Einstein mit seiner Relativitätstheorie, dass dies nicht der Fall ist. Die Zeit läuft für verschiedene Menschen an verschiedenen Orten unterschiedlich schnell, egal ob man in Bezug auf jemand anderen beschleunigt oder eine andere Route zwischen den Ereignissen nimmt.
HÄLT ZEIT JEMALS AN?
Wenn man eine Uhr in ein schwarzes Loch fallen ließe, würde sie aufhören zu ticken und für immer stehen bleiben. Am sogenannten «Ereignishorizont» eines Schwarzen Lochs bleibt die Zeit stehen. Aber nur von außen betrachtet. Fiele man mit seiner Uhr in das Schwarze Loch, würde sie mit einer Sekunde pro Sekunde weiter laufen. Sofort wird klar, dass die Zeit viel komplizierter ist. Sie ist ein modernes Forschungsgebiet der Physik. Ein berühmtes Zitat von Einstein lautet: Zeit ist das, was man an der Uhr abliest.
WANN HAT DIE ZEIT BEGONNEN?
In der Physik gibt es eine Idee, die man den thermodynamischen Zeitpfeil nennt. Sie besagt, dass es nur deshalb einen Unterschied zwischen der Vergangenheit und der Zukunft gibt, weil in der Vergangenheit etwas Seltsames passiert ist: der Urknall, der Ursprung unseres Universums. Demnach hätte mit dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren auch die Zeit ihren Anfang genommen. Aber wir wissen nicht mit Sicherheit, dass dies der Beginn der Zeit war. Wir wissen nicht, ob das Universum überhaupt einen Anfang hatte. Wie der berühmte Astrophysiker und Priester Georges Lemaître es einst ausdrückte, würde dies bedeuten, dass es «einen Tag ohne ein Gestern» gab.
WERFEN WIR EINEN BLICK AUF DAS GROSSE GANZE: WAS IST EWIGKEIT?
Nach unserem derzeitigen Basismodell des Universums wissen wir, dass sich das Universum nicht nur ausdehnt, sondern sich auch noch beschleunigt. Wenn dies so weitergeht, werden wir einen Punkt erreichen, an dem alles extrem weit von allem anderen entfernt ist und alles die gleiche Temperatur hat. Technisch gesehen würden wir sagen, dass die Entropie stets zunimmt, da das Universum von einem hochgradig geordneten Zustand in einen eher ungeordneten Zustand übergeht. Eines der Dinge, die wir über eine Uhr wissen, ist jedoch, dass sie ein thermodynamisches Gerät ist. Um eine Uhr zu bauen, braucht man einen Temperaturunterschied. In ferner Zukunft werden wir allerdings einen Punkt erreichen, an dem es in unserem Universum keine Temperaturunterschiede mehr gibt. Ich vermute, dass die Zeit dann verschwunden sein wird.
Wenn man eine Uhr trägt, sieht man sie immer mit einer Sekunde pro Sekunde ticken. Das ist die Zeit im eigenen Bezugsrahmen. Jemand anderes könnte an andere Orte gehen und andere Dinge tun. Und wenn man sich wieder träfe und die Uhren vergliche, wäre man unterschiedlich schnell gealtert
DIE ZEITMESSUNG EINER SINFONIE
IST EINE MINUTE IMMER EINE MINUTE, EINE SEKUNDE IMMER EINE SEKUNDE?
Es gibt eine bestimmte Zeitspanne, die zum Beispiel eine Aufführung von Mahlers 9. Sinfonie in Anspruch nimmt. Und das ist die Zeit, die auf einer Uhr gemessen wird, die sich in Bezug auf das Orchester nicht bewegt. Wenn man diese Uhr aus dem Konzertsaal trüge, damit herumliefe und wieder zurückkäme, würde sie etwas weniger Zeit zwischen Anfang und Ende der Sinfonie messen.
Das bedeutet nicht, dass die Uhren nicht präzise sind. Ganz im Gegenteil. Die Uhren messen die Zeit zwischen Beginn und Ende des Konzerts mit absoluter Präzision und Zuverlässigkeit. Vielmehr läuft die Zeit selbst für die beiden Uhren unterschiedlich. In der Relativitätstheorie und in der Realität ist die Zeit etwas Subjektives. Die Unterschiede sind natürlich winzig, sofern sich Ihre Uhr nicht nahezu mit Lichtgeschwindigkeit bewegt. Dann würde der Unterschied ganz erheblich ausfallen.
JE MEHR WIR BESCHLEUNIGEN, DESTO LANGSAMER VERGEHT DIE ZEIT.
Im Large Hadron Collider (LHC) am CERN in Genf lassen wir Protonen mit 99,999999 Prozent der Lichtgeschwindigkeit durch den Teilchenbeschleuniger fliegen. Mit dieser Geschwindigkeit umrunden sie den 27 Kilometer langen Ring 11.000 Mal pro Sekunde. Für die Protonen vergeht die Zeit jedoch 7000 Mal langsamer. Eine Sekunde für uns würde für sie einer Siebentausendstelsekunde entsprechen.
Aber aus Sicht der Teilchen würde ihre Uhr immer noch mit einer Sekunde pro Sekunde ticken. Man könnte jetzt einwenden, das hier ein Widerspruch vorliegt, aber das ist nicht der Fall. Denn die Kehrseite der Medaille sieht so aus, dass der Umfang des Rings aus Sicht der Teilchen von 27 Kilometern auf 4 Meter schrumpft. Das Ergebnis ist das gleiche. Raum und Zeit werden vertauscht, durcheinander gebracht. Das ist nur eine andere Betrachtungsweise der Relativität.
GILT ALSO DIE ZEIT, DIE ICH AUF MEINER UHR ABLESE, NUR FÜR MICH?
In Einsteins Theorie gibt es etwas mit dem Namen Eigenzeit. «Wenn man eine Uhr trägt, sieht man sie immer mit einer Sekunde pro Sekunde ticken». Das ist die Zeit im eigenen Bezugsrahmen. Jemand anderes könnte an andere Orte gehen und andere Dinge tun. Und wenn man sich wieder träfe und die Uhren vergliche, wäre man unterschiedlich schnell gealtert. Aber jede Person wird in ihrem Bezugssystem die Zeit immer mit einer Sekunde pro Sekunde ticken sehen.
— Die Portugieser Eternal Calendar IW505701 mit einer Mondphasenpräzision von 45 Millionen Jahren
— Das Manufakturkaliber 52640 von IWC wird mit dem 400-Jahres-Getriebe ausgestattet, das nur alle vier Jahrhunderte eine Umdrehung vollführt
WAS HINTER DER «WELTLINIE» STECKT
WIE KANN DIE ZEIT FÜR VERSCHIEDENE MENSCHEN UNTERSCHIEDLICH SCHNELL VERSTREICHEN?
In Einsteins Relativitätstheorie geht es um Ereignisse. Das Schnippen Ihrer Finger ist ein Ereignis, das Anzünden einer Kerze ist ein Ereignis. Wir sitzen hier und sprechen miteinander. Das ist ein Ereignis. Wir könnten sagen: Nächstes Jahr treffen wir uns wieder und dann wollen wir herausfinden, wer am meisten gealtert ist. Und es gibt eine Antwort auf diese Frage: Es hängt von der Route ab, die jeder von uns durch die Raumzeit genommen haben wird.
Die Route, die wir zwischen verschiedenen Ereignissen nehmen, bestimmt die Länge unseres Weges. Und diese Länge ist die Zeit, die auf unseren Uhren gemessen wird. In diesem Sinne ist eine Uhr kein Zeitmesser, sondern eher ein Entfernungsmesser. Es verhält sich ähnlich wie mit der Frage: Wie weit ist Schaffhausen von London entfernt? Das hängt davon ab, wie man dorthin reist.
KÖNNEN SIE AN EINEM BEISPIEL VERDEUTLICHEN, WAS RAUMZEIT IST?
Das Bild, das ich im Laufe der Jahre von der Raumzeit entwickelt habe und das ich meinen Studenten vermittle, ist das einer Landkarte. Stellen Sie sich die Raumzeit als eine Sammlung aller Ereignisse vor – all die Dinge, die in Raum und Zeit in unserem Universum passieren. Und nun stellen Sie sich vor, dass Sie Punkte auf Ihre Karte setzen. Es gibt eine Linie, der Sie von einem Ereignis zum anderen folgen, eine Route, die Sie über die Karte nehmen. Und diese Linie nennt sich Weltlinie. Während wir über die Karte wandern, messen unsere Uhren die Länge unserer Weltlinie.
WENN ZEIT ALS ENTFERNUNG VERSTANDEN WERDEN KANN, WIE WEIT REISEN WIR IM LAUFE EINES LEBENS?
Nach Einsteins Theorie ist unser Alter die Entfernung, die wir in der Raumzeit zurücklegen. Das ist eine ganz einfache Antwort. Wenn Sie 77 Jahre, sechs Tage und 3 Sekunden leben, sind sie genau so weit gereist, was eine schöne Sache ist. Das eigene Alter ist buchstäblich die Entfernung, die man in der Raumzeit zurücklegt.
Wenn man Einsteins Theorie für bare Münze nimmt, dann ist die gesamte Raumzeit bereits auf der Karte verzeichnet. Nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Zukunft
EIN GESPÜR FÜR RAUM UND ZEIT
STEHT DIE WELTLINIE VON VORNHEREIN FEST? ODER FORMT SIE SICH IM LAUFE UNSERER REISE?
Wenn man Einsteins Theorie für bare Münze nimmt, dann ist die gesamte Raumzeit bereits auf der Karte verzeichnet. Nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Zukunft. Es existiert die Idee eines Blockuniversums, das die Raumzeit als einen unveränderlichen vierdimensionalen Block versteht – im Gegensatz zu einem dreidimensionalen Raum, der sich im Laufe der Zeit ständig verändert. Doch einige Physiker glauben, dass sich die Zukunft irgendwie aufbaut. Hier nähern wir uns der sogenannten Quantengravitation. Die Gravitation oder Schwerkraft ist die Krümmung der Raumzeit, die eng mit Raum und Zeit verbunden ist. Heute scheinen sich allerdings alle zumindest darüber einig zu sein, dass es wahrscheinlich eine tiefere Theorie gibt.
WIE KÖNNTE DIESE THEORIE AUSSEHEN?
Wir beginnen zu vermuten, dass Raum und Zeit aus etwas anderem entstanden sind, das keinen Raum und keine Zeit in sich trägt. Eine Analogie wäre das menschliche Bewusstsein. Sie können sich den Menschen als eine Ansammlung von Atomen vorstellen, die den Naturgesetzen gehorchen. Und daraus entsteht dann etwas Neues, etwas anderes.
Die Vorstellung, dass wir eine Uhr ansehen und sie schön finden können – was ist das? Was auch immer es ist, es geht aus etwas hervor, das keine «Schönheit» in sich trägt. Auf ähnliche Weise beginnen wir zu glauben, dass es ein größeres Bild gibt, vielleicht die Stringtheorie oder eine Quantentheorie der interagierenden Objekte. Und dass sich daraus irgendwie ein Sinn für Raum und Zeit ergibt.
VIELEN DANK, BRIAN, FÜR DIESE VERBLÜFFENDEN EINBLICKE IN DIE GEDANKEN EINES PHYSIKERS!
— Brian Cox und Chris Grainger-Herr, CEO von IWC Schaffhausen, während der Aufnahme des Podcasts
Wenn Sie noch tiefer in die Rätsel der Zeit und des Universums eintauchen möchten, hören Sie sich unsere neueste Podcast-Folge an.